Krisen, Entzweiung, Nationalismus – gerade wird die schöne Utopie, die ein geeintes Europa bereithält, durcheinandergeworfen. Was für eine Kraft in der Verbindung verschiedener europäischer Kulturen liegt, das zeigt die besondere Aufnahme des Rachmaninoff International Orchestra unter Kent Nagano, gemeinsam mit der Violinistin Rebekka Hartmann. Drei Stücke des 20. und 21. Jahrhunderts haben die Musikerinnen und Musiker eingespielt. Drei Stücke, die Europas Kultur und deren Stärke gerade im Blick über die Nationalgrenzen hinaus zeigen.
Karl Amadeus Hartmanns „Concerto funebre“ von 1939 stammt aus der dunkelsten Zeit des Kontinents. Hartmann findet auf seine dunkle Gegenwart unter dem Nazi-Terror in Deutschland keine einfache, keine blendende Sprache, sondern deutet komplex und vielschichtig seine Gegenwart aus. Doch eine Brücke lässt er die Musik trotzdem bauen, zitiert einen russischen Revolutionstrauermarsch und schaut über den eigenen Kulturkreis hinaus.
In die andere Richtung weist das Violinkonzert „Stradivari“ der usbekischen Komponistin Aziza Sadikova von 2020. Inspiriert von einem sowjetischen Fernsehfilm der 1980er Jahre führt sie ihre Musik über den italienischen Barock in die Gegenwart. Schöpft aus dem reichen kulturellen Erbe Europas, zieht keine Grenzen und findet darin eine wunderschöne Gegenwart und Zukunft.
Ähnlich offen und freundlich blickte Maurice Ravel 100 Jahre zuvor auf das kulturelle Erbe seines Heimatkontinents. Seine „Tzigane“ ist inspiriert von der Musik der Roma. Doch auch heute hört man in Ravels Stück weniger die Aneignung einer solchen Musik in ein westeuropäisches Klangbild als mehr die Faszination eines Westeuropäers für diesen spezifischen musikalischen Ausdruck. Es ist die Freude, die Zuwendung auch und die Offenheit für eine fremde Kultur, die dieses Stück prägt.
Pressestimmen
Bremen Zwei, „Klassikwelt“
Rebekka Hartmann – wirklich eine fabelhafte Geigerin! Wilfried Schäper, 3.8.25
Qobuz Magazin
Hartmann, Ravel & Sadikova ist weit mehr als eine Repertoire-Erweiterung. Es ist ein Plädoyer für kulturelle Offenheit, musikalische Vielfalt und dank Kunst, Brücken zu bauen. Das Rachmaninoff International Orchestra, bestehend aus herauragenden Musikerinnen und Musikern aus West- und Osteuropa, erweist sich dabei als ideales Ensemble für diese Aufnahme. Unter der Leitung von Kent Nagano gelingt es ihm, der Solistin Rebekka Hartmann den nötigen Raum und eine klangliche Tiefe zu bieten, die weit über den Konzertsaal hinausstrahlt. Lena Germann, 01.07.25
Hochfranken-Feuilleton
Ganz und gar könnte sich Rebekka Hartmann auf den uneingeschränkt klaren und wandelbar virtuosen Ton verlassen, den sie dieser Geige entlockt, um zu brillieren, wie sie das in Ravels folkloristisch-magyarischer Rhapsodie durchaus tut. Aber selbst in diesem, oft für Effektartistik missbrauchten Werk gräbt sie sich klanglich ins Intuitive hinein, das sich beim „Begräbniskonzert“ ihres Namensvetters fatalistisch in die suggestiven Schatten sorgender Trauer hüllt und in Sadikovas veränderlichem Stimmungspanorama die Grenze zum Katastrophischen berührt. Michael Thumser, 19.07.25